Die Geschichte der Baptistengemeinde Graz

Die Anfänge der Grazer Baptistengemeinde gehen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Sie sind verbunden mit den Namen: Carl u. Theresia Wisotzky. Beide haben sich im Oktober des Jahres 1847 in Wien taufen lassen.

Doch damals war keine gute Zeit für evangelische Christen und besonders Baptisten. In vielfacher Weise erlebte die junge baptistische Bewegung Schikanen und Behinderungen in Österreich: Ein besonders schlimmes Beispiel dafür ist das Schicksal des baptistischen Bibelkolporteurs Carl Rauch. 1874 wurde er an der Eisack bei Bozen von Bauern, die durch die katholische Presse aufgehetzt waren, ermordet und damit zu einem fast vergessenen Märtyrer der freikirchlichen Bewegung. Am 13. Jänner 1875 fand man seine Leiche, schrecklich verstümmelt und nackt. Bibeln und Schriften, die er mit sich geführt hatte, lagen verbrannt, nicht weit vom Tatort entfernt.

1848 wird die „Oktoberrevolution“ in Wien niedergeschlagen. Carl und Theresia Wisotzky, die ersten baptistischen Täuflinge, ließen sich nach der eintretenden Verfolgung durch Staat und römisch katholische Kirche, in Graz nieder. 1870 werden die Baptisten in Graz aktenkundig. „Sie trafen sich zunächst in verschiedenen Wohnungen, darunter auch im Haus des bereits erwähnten Ehepaares Wisotzky.“

Am 2. April (Ostersonntag) des Jahres 1877 wird die Tochtergemeinde in Graz/ Andritz durch den Ältesten Johann Rottmayer der Wiener Baptisten gegründet. Schon 1882 konstituiert sich, unter dem Gemeindeleiter Josef Hofmann und den Diakonen Ferdinand Hofmann und Franz Riedler, diese Grazer Baptistengemeinde mit 21 Mitgliedern als selbständige Gemeinde. Am Ende dieses Jahres ist die Gemeinde auf 29 Mitglieder angewachsen. Seit 1892 besitzt die Gemeinde ein eigenes Versammlungslokal in der Griesgasse 14/ im 2. Stock. Thomas Keil vertritt als gewählter Gemeindeleiter die Ortsgemeinde Graz, in der deutschen Bundeskonferenz in Berlin. Danach wird es um die Grazer Gemeinde bis Ende des 2. Weltkriegs still.

1919 wird Graz neben der Gemeinde Ternitz wieder als Station von Wien geführt.

1954 wird diese Station Graz durch eine Ansprechperson namens Lydia Sepper, eine Predigerwitwe aus Oberpremstätten, aus der Stille herausgeführt. Prediger Ruppert Ostermann und Missionar Fritz Fuchs besuchten zwischenzeitlich die Grazer Gruppe, die zu jener Zeit auch aus jugoslawischen Flüchtlingen besteht. Zu dieser Zeit sind nur mehr 10 Mitglieder vorhanden.

1956 stellt die Wiener Gemeinde den Bibelboten Michael Johrendt ein, der schon seit 1953 von der Britischen & Ausländischen Bibelgesellschaft angestellt ist. Unter ihm wächst die Gemeinde bis 1961 auf 32 Mitglieder an. Ihre Versammlungen fanden damals in den Räumen der Altkatholischen Kirche statt.

Siegfried Splettstösser (Hausmissionar von 1961-63), Hans Pfeifer (Prediger 1964-66) und das Ehepaar Rosemarie u. Klaus Manke (Jugend- und Gemeindeschwester 1963-66) helfen der Gemeinde sich zu festigen.

Als 1968 das Predigerehepaar Graham u. Jayne Lange (England) ihren Dienst in Graz beginnen, wusste Graham Lange noch nicht, dass diese Dienstperiode 13 Jahre andauern würde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Gemeinde auf 49 Mitglieder angewachsen und hat, Dank der Unterstützung der Südlichen Baptisten (SBC), neue Räumlichkeiten in der Idlhofgasse 89 bezogen. Seit damals wurde viel Herzblut in die Jugend-, Missions- und Gemeindeaufbauarbeit investiert.

1982 – 86 folgen der Prediger Jiri Secka (Tschechien) und das Pastorenehepaar Dr. Emanuel und Ilse Wieser (Österreich) (1988-97), unter deren missionarischer und theologischer Arbeit die Gemeinde weiter wächst. Sie werden u.a. durch die US-amerikanische Missionarsfamilie von Charly Brown unterstützt. 1992 wird das Gemeindehaus in der Idlhofgasse nach aufwändigen Renovierungsarbeiten neu eingeweiht. Die Gemeinde ist auf 65 Mitglieder angewachsen.

1998-2003 übernimmt das Pastorenehepaar Werner u. Linda Holmes-Ulrich (Kärnten/ Irland) die weitere pastorale Verantwortung in der Gemeinde.

Nach einer 4-jährigen pastorenlosen Zeit wird 2007 die Pastorenfamilie Bruno und Evelyne Gasper in die Gemeinde berufen und erstmalig zu 100% für die kommenden 3 Jahre angestellt. Zu diesem Zeitpunkt besteht die Gemeinde aus 71 Mitgliedern. 2010 wird Bruno Gasper von der Gemeinde auf unbestimmte Zeit als Pastor bestätigt. 2013 konstituiert sich neben der schon bestehenden und wachsenden Rumänischen Baptistengemeinde Emanuel Graz unter Pastor Dorel Moga (Bahnhofsgürtel 7), die Internationale Baptistengemeinde, die mit ihren 30 Mitgliedern hauptsächlich aus Flüchtlingen und Asylwerbern Farsi- und Russischsprachiger Länder besteht. Sie wird von dem Ehepaar Johannes und Hilde Schalk geleitet, von denen man sich 2012 in der Idlhofgasse getrennt hatte. Weitere bedauernswerte Abgänge und eigenständige Gruppen- und Gemeindegründungen (Lebendige Hoffnung, Hoffnung für alle und die Persische Pfingstgemeinde Graz) lassen die Mitgliederzahl der Idlhofgasse 2014 auf 55 Personen sinken.

Die Baptistengemeinde bekam seit den 60-iger Jahren vermehrt ein internationales Gepräge. Bis in die 90-iger Jahre geschah dies z.B. durch die Studenten der ÖSM, Professoren an der Universität, Sänger an der Oper oder Missionare und Prediger.

Ende der 80-iger Jahre kamen die ersten Flüchtlinge aus Osteuropa, die in der Baptistengemeinde Anschluss fanden. In den 90-iger Jahren stießen vereinzelt afrikanische Migranten dazu. Besonders in den letzten 10 Jahren verändert sich die Zusammensetzung der Gemeinde. Nach der Phase der Hilfe für rumänische Flüchtlinge und Gemeinden und der Gründung der rumänischen Baptistengemeinde Graz (90iger Jahre) beginnt 2003 die Flüchtlingsarbeit unter farsisprachigen Migranten.

2010 finden sich im Gemeindeverzeichnis 92 Mitglieder, die aus 17 verschiedenen Nationen stammen. Neben den ca. 30% österreichischen Mitgliedern setzt sich ein Drittel aus ehemaligen muslimischen Glaubensgeschwistern aus dem Iran und Afghanistan zusammen. Das restliche Drittel teilen sich Mitglieder aus weiteren 14 Nationen. Diese vielschichtige ethnische Zusammensetzung stellt neben der permanent großen finanziellen Problematik eine weitere große Herausforderung im Hinblick auf die Integration dar.

Der Bund der Baptistengemeinden in Österreich ruft 2010 zu einem „Befreiungsschlag Graz“ auf. Durch eine nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung aus der Solidargemeinschaft der Gemeinden Österreichs soll die Eigenfinanzierung der Grazer Gemeinde bis zum Jahre 2014 ermöglicht werden. Ferner können Sponsoren (German Baptist Aid, Normen Whiteley Trust) für eine 3jährige Unterstützung des Flüchtlings- und Integrationsprojektes Graz, wie sie sich interessanter Weise auch in der Baptistengemeinde Salzburg, der Projekt:Gemeinde Wien (Baptisten) und der Baptistengemeinde Linz parallel entwickelt haben, gewonnen werden.

2013 erleben alle Baptisten und Freikirchen, die sich im Verband der Freikirchen in Österreich zusammengeschlossen haben, ein historisches Ereignis. Am 26. August werden der Bund der Baptistengemeinden in Österreich, der Bund evangelikaler Gemeinden, die Pfingstgemeinden im Verband der Freien Christengemeinden in Österreich, die ELEIA-Gemeinden und die Freikirche der Mennoniten als Kirche in Österreich anerkannt. Dies bedeutet auch für die Baptistengemeinde in der Idlhofgasse und ihren Pastor Bruno Gasper, dass ein verpflichtender Religionsunterricht zu organisieren und zu gewährleisten ist. Dies ist eine der neuen Herausforderungen aber auch Chance für das baptistische Gemeindeleben in Graz.